Und auf einmal soll ich Profi sein... Freiwilligendienstbericht Nr. 1

Und auf einmal soll ich Profi in Sachen Pickleball, Tennis, Skateboarden, Klettern und Basteln sein?

Seit fast vier Monaten bin ich nun in Ontario, Kanada, und arbeite als „ Activity Instructor“ (Aktivitätsleitung) im christlichen Jugendcamp Muskoka Woods. Wenn ich genau darüber nachdenke, ist es doch sehr verrückt, dass das jetzt mein Alltag ist. Mehr dazu später, fangen wir am Anfang an.

Vorbereitung

Meine Vorbereitungsseminare hat meine Freiwilligendienst-Organisation IN VIA Köln in Solingen, NRW, veranstaltet. Das erste hat Ende Juli diesen Jahres stattgefunden. Während dieses Vorbereitungsseminars haben wir uns viel mit interkultureller und internationaler Arbeit im Allgemeinen beschäftigt.In meinem Jahrgang sind wir 52 Freiwillige, die in Einsatzstellen auf der ganzen Welt geschickt wurden. Beispielsweise sind gerade andere Freund*innen von mir gerade in Uganda, Argentinien, Großbritannien, den USA und Tansania. Auf dem ersten Vorbereitungsseminar haben wir auch über soziale Gerechtigkeit und Kolonialismus gelernt und uns darüber ausgetauscht. In den sehr persönlichen Reflexionen sollten wir uns mit unseren Stärken, Werten und Persönlichkeitszügen auseinandersetzen. Ich war sehr dankbar, dass ich in dieser Woche meine Mitfreiwilligen, mit denen ich nach Kanada gehen sollte, und auch andere Freiwillige kennenlernen konnte. Auf dem zweiten Vorbereitungsseminar Ende August wurde es dann etwas spezifischer für die Einsatzstellen. Die letzten Fragen konnten gestellt werden und wir hatten noch einige Einheiten zu Reisesicherheit, Gesundheit und Berichterstattung. Für uns acht Freiwillige die nach Kanada bzw. Muskoka Woods reisen würden, war das die letzte Woche in Deutschland. Meiner Meinung nach war das Seminar alles andere als perfekt gelegen. Ich hätte gerne noch zwei oder drei Tage zu Hause in meinem Zimmer mit meinen Freund*innen und meiner Familie verbracht. Letztendlich war daran aber nichts zu ändern und es war auch in Ordnung, dass ich direkt von der Entsende Feier am Ende des zweiten Vorbereitungsseminars zum Flughafen gefahren bin, um mich dort von meiner Familie zu verabschieden.

Ankunft

Von Düsseldorf aus bin ich nach Dublin geflogen. Und nach einer langen Nacht am Dubliner Flughafen bin ich am nächsten Morgen nach Toronto weitergeflogen. Bevor ich jedoch in den Flieger nach Toronto gestiegen bin, habe ich noch eine Stunde mit David und Paul (zwei meiner Mitfreiwilligen) am Gate verbracht. Die Beiden waren an dem Morgen in Dublin gelandet und hatten einen späteren Flug nach Toronto genommen. Mein Flug nach Toronto war alles andere als gemütlich und ich habe noch zwei Wochen später versucht, die Verspannung in meinem Nacken zu lösen. Aber wenigstens habe ich die meiste Zeit geschlafen, wodurch es sich nach einem kurzen Flug angefühlt hat. In Toronto angekommen, holte ich mein Visum ab und wartete in der Eingangshalle auf meine Mitfreiwilligen. Nach und nach sind alle eingetroffen, bis schließlich alle acht von uns versammelt waren. Abgeholt wurden wir von zwei Mitarbeitenden des Personalbüros, die uns und unser Gepäck auf zwei Campvans aufgeteilt haben. Auf der Autofahrt von Toronto nach Muskoka Woods haben wir in Barrie gehalten. Hier konnten wir zu Abend essen und Nov. 2025 Muskoka Woods alles Weitere kaufen, was wir in den ersten Wochen brauchten. Gegen 21h sind wir dann in völliger Finsternis im Camp angekommen. Sehr müde und überfordert wurden wir von anderen Mitarbeitenden in Empfang genommen. Sie zeigten uns unsere Übergangsunterkünfte. Am nächsten Morgen, nachdem wir so lange geschlafen hatten, wie wir wollten, schauten wir uns bei Sonnenschein das Campgelände an und haben das erste Mal in der Mensa gegessen. Am selben Tag begann auch die Staff Week. Also sozusagen die offizielle Kennenlern- und Trainingsphase. In diesen wenigen, aber langen Tagen habe ich mehr oder weniger erfolgreich die Namen der anderen Mitarbeitenden gelernt, viele Spiele gespielt und detaillierte Vorträge über Abläufe, Sicherheitsprotokolle und die Mission bzw. den Leitfaden von Muskoka Woods gehört. Am 2.September endete die Staff Week damit, dass wir in unsere Langzeitunterkünfte umgezogen. Ich habe den Abend damit verbracht, meine Sachen zu sortieren, mein Hochbett heimeliger zu gestalten und die anderen sieben Mädchen in meinem Zimmer besser kennenzulernen.

Auf geht's!

Am nächsten Tag kamen die ersten Gäste im Camp an, die erste Schule der Saison, die Zeit in Muskoka Woods verbrachte. Die erste Woche war voller neuer Erfahrungen und Eindrücke. Wir haben gelernt, wie man einige der sportlichen Aktivitäten anleitet, ohne selbst Profi zu sein. Ich hatte vorher noch nie Archery Tag (eine Mischung aus Bogenschießen und Fangen) oder Tennis gespielt, in den nächsten Wochen musste ich jedoch genau diese Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen durchführen und ihnen die wesentlichen Skills beibringen. Ich musste ihnen beibringen, wie man einen Pfeil schießt, ihnen die Pickleball-Regeln erklären, obwohl ich diese selbst noch nicht verstanden hatte, und sicherstellen, dass sich bei Holzbrennen niemand verbrennt. Außerdem musste ich darauf achten, dass alle Kinder mitmachen. Das hat am Anfang wirklich viel Kraft gekostet, aber zum Glück wurden wir am Anfang noch viel in Teams von mehreren Leuten eingesetzt, sodass wir uns die verschiedenen Aufgaben aufteilen konnten. Nach und nach bin ich gewachsen, habe mich immer wohler dabei gefühlt, Aktivitäten auf Englisch anzuleiten, und meine Stimme hat sich immer mehr daran gewöhnt, laut zu sprechen. Außerdem war mir meine Teamleiterin Amy eine große Hilfe, sie hat sichergestellt, dass ich mit den Aktivitäten zurechtkam, mir genaue Erklärungen gegeben und mir wenn möglich Hilfestellungen geleistet. Mittlerweile würde ich sagen, dass ich einen Großteil der Aktivitäten selbstbewusst anleiten kann. Ich habe ein gutes Repertoire an Kennlern-, Aufwärm- und Gruppenspielen, die mich im Zweifel davor bewahren, die Aufmerksamkeit der Gäste zu verlieren. Nachdem die ersten Schulen und Jugendgruppen einige Wochen und Wochenenden hier im Camp verbracht hatten, kam der Moment des Ropes Trainings. Das Ropes Training ist ein offizieller Kurs, der von externen Leitenden durchgeführt und geprüft wird. Er schult Mitarbeitenden von Jugendcamps in Kanada in Kletteraktivitäten. In dieser Woche Ende September haben wir also gelernt, wie die Kletteraktivitäten in Muskoka Woods angeleitet werden, welche Sicherheitsprotokolle zu beachten sind und wie die Elemente und die Ausrüstung funktionieren. Ähnlich einem Kletterschein mussten wir am Ende der Woche eine Prüfung absolvieren, um zu beweisen, dass wir in der Lage sind, Kletteraktivitäten mit den Gästen durchzuführen. Nachdem alle Freiwilligen den Kurs alle bestanden hatten, sind wir nun in der Lage, die Kletteraktivitäten und die Seilbahn des Camps anzuleiten und mit Gruppen durchzuführen.

Alltag!

Mittlerweile sieht mein Alltag also wie folgt aus: Morgens zwischen 7:45h und 8:15h gibt es Frühstück, gefolgt von unserem täglichen Meeting, in dem wir erfahren, ob es irgendwelche Probleme oder Hinweise gibt, ob jemand krankheitsbedingt ausfällt usw. Direkt danach machen wir uns alle auf den Weg, um unsere Aktivitäten des Tages aufzubauen. Beispielsweise würde ich zu einer der High-Ropes-Aktivitäten (Teambuilding-Kletteraktivitäten) gehen und dort sicherstellen, dass das Element in guter Verfassung ist, dass die Ausrüstung nicht beschädigt ist und ich würde die Kletterseile und Karabiner vorbereiten. Zwischen 9h und 12h habe ich die ersten beiden Gruppen für jeweils 1,5h. Je nachdem, ob ich nachmittags die gleiche Aktivität habe oder nicht, baue ich diese dann vor dem Mittagessen komplett ab oder nur so weit, dass sich keiner der Gäste verletzen kann oder die Aktivität unbeaufsichtigt ausführen kann. Am Nachmittag sind es nochmal zwei Aktivitätsblöcke von 14h bis 17h, danach sind wir für den Tag meistens fertig. Einmal pro Woche muss ich mit meinem Team die Abendschicht arbeiten. Wir sind also für das Abendprogramm, die Büroschicht und das Aufräumen der Speisesäle verantwortlich. Je nach Woche werde ich von meiner Teamleiterin für andere Aufgaben eingeteilt, sodass alle von uns mal die Möglichkeit hatten, ein Lagerfeuer oder eine Quizshow anzuleiten. Zudem müssen wir im Team ca. zwei Mal pro Woche in der Küche helfen und entweder nach dem Mittag- oder dem Abendessen Geschirr spülen und wegsortieren. Neben dem wöchentlichen Town Run (Einkaufstrip) montags, einer Bibellesezeit mittwochs und einem wöchentlichen Staff Social, bei dem wir Spiele spielen, gemeinsam kochen oder andere Aktionen durchführen, gibt es jeden Sonntagabend Cadence. Cadence ist vergleichbar mit einem Gottesdienst. Wir treffen uns alle im Leadership Studio, haben eine Band die Lobpreislieder singt, und dann hält einer der Vollzeitmitarbeitenden eine kleine Andacht. Nach der Andacht gibt es Kleingruppen, in denen wir persönliche Fragen zur Andacht teilen oder einfach nur so gemeinsam Zeit verbringen. An unseren freien Tagen nutzen wir auch gerne die Zeit, um einige der Aktivitäten auf dem Campgelände zu machen. Am Anfang der Session sind wir zum Beispiel häufig nach der Arbeit Kanu gefahren oder schwimmen gewesen. Jetzt, wo das Wetter schlechter wird, habe ich stattdessen angefangen mir von einer Freundin das Skaten beibringen zu lassen, und bin so langsam in der Lage, die Rampen im Pump Track (indoor Skatepark) zu fahren. Ein weiteres Highlight der letzten Monate war, als ich angefangen habe, regelmäßig zu hosten. Unsere Gruppen sind meistens drei Tage und zwei Nächte auf dem Gelände und in dieser Zeit nehmen sie an den von der Schule oder Gruppe ausgewählten Aktivitäten teil. Meistens gehen die Gäste in Kleingruppen von ca. 18 Kindern oder Jugendlichen von Aktivität zu Aktivität und werden dabei immer von andere Mitarbeitenden angeleitet. Manche Gruppen und Schulen entscheiden sich aber auch dafür, gehostet zu werden. Das bedeutet, dass ein oder zwei Mitarbeitende die Gruppe begleiten und alle ihre Aktivitäten anleiten. Das Hosten ist meine Lieblingsart der Aktivitätsanleitung, weil ich dadurch die Gäste richtig kennenlerne. Alleine die Namen, Vorlieben und Stärken der einzelnen Kindern und Jugendlichen zu kennen, macht es sehr viel angenehmer, ihnen Skills wie Skaten, Klettern, Bogenschießen oder Fußballspielen beizubringen. Außerdem weiß ich es sehr zu schätzen, mit mir bekannten Kindern und Jugendlichen Zeit zu verbringen und zu sehen, wie sie in der kurzen Zeit über sich hinauswachsen.

Im Allgemeinen kann ich sagen, dass ich hier bisher viel gelernt habe. Das betrifft sowohl das Anleiten von Aktivitäten und das Vermitteln von Fähigkeiten, die ich selbst noch nicht perfektioniert habe, als auch das Teilen eines Zimmers und eines Badezimmers mit sieben anderen Mädchen und das Überwinden von Herausforderungen im Zusammenleben, wenn sich herausstellt, das manche Leute echt keine Ahnung haben, wie sie ihre Wäsche waschen sollen, oder dass ein Trockner nicht trocknet, wenn man diesen bis zum Deckel vollstopft. Es ist dennoch sehr verrückt, dass die erste Session nun schon fast vorbei sein soll und wir in nur wenigen Tagen alle unsere Koffer packen und für ein paar Wochen selbstständig irgendwo unterkommen müssen, weil das Camp für einen Monat geschlossen ist. Es verrückt, darüber nachzudenken, dass damit ein Viertel des Jahres schon um ist und ich noch nicht einmal alle meine aktuellen Mitarbeitenden nach der Winterpause wiedersehen werde, dafür aber neue Mitarbeitenden der nächsten Session kennenlernen werde. Jetzt bin ich erst einmal gespannt, wie unsere letzten Tage hier werden, welche Überraschungen die Winterpause bzw. Weihnachten bereithält und welche Abenteuer in der nächsten Session warten.

GaliGrü aus Kanada, Ciara

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